Interview: Willie Ocean
"Tanzmusik ist nicht zwingend geistlos"
Willie Ocean, Frontmann und Sänger von The Special Guests, über das neue Album “Beetroot“ (moanin’/rough trade/iTunes), Ironie und politische Statements in der Musik.
Warum habt ihr euch entschieden, Tracy Chapmans Song "Talkin' Bout A Revolution" zu covern?
W.O.: Im letzten Jahr wurde der deutsch-französische Fernsehsender „arte“ auf uns aufmerksam, um mit uns Aufnahmen für das neue Format „Klang“ zu machen. „arte“ wollte neben eigenen Songs von jeder Band aber auch einen Cover-Song haben. Da wir eigentlich nur eigene Songs machen, stellte das ein gewisses Problem dar. Wir haben dann etliche Säue durchs Dorf getrieben, bis bei diesem Song alle einhellig nickten und meinten, das passt.
Spielte die textliche Komponente bei der Entscheidung eine Rolle, und wenn ja welche? In welchem inhaltlichen Kontext seht ihr eure Version?
W.O.: 1986, als der Song ein Hit war, sprach von den allgemeinen Umständen her im guten alten Europa eigentlich viel weniger für Revolution als heute, wo sich eine breite Masse in lustig chancenreicher sozialer Unsicherheit wiederfindet. Okay, heute wissen wir, dass der fiese fleißige Chinese unser Feind ist gegen den wir mit unserem Leitbild Dr. Josef Ackermann den Standort Deutschland verteidigen müssen.
Vielleicht haben wir den Paradigmenwechsel noch nicht wirklich verinnerlicht. Wahrscheinlich war das der Grund dafür, warum wir diesem Song gegenüber anderen Themen von Michael Jackson bis Rammstein den Vorzug gegeben haben. Die Entscheidung war also echt nicht intellektuell. Und schon in Tracy Chapmans Weltklasse-Vorlage schwingt da mehr Wunsch als Befürchtung mit. Das haben wir mit unserer Version, unserer Musik dem Ska, aufgegriffen und versucht zu überhöhen.
Wenn man die neue CD durchhört, kann man den Eindruck bekommen, dass eine gewisse Politisierung stattgefunden hat (Songs wie „Talkin’ …“, „Security“ und vielleicht auch „Build A Castle“ oder „Free“). Woher kommt die bzw. wie ist es dazu gekommen?
W.O.: Mann, wir sind die Tanzkapelle für die alternative Szene. Auch der Punker will mal tanzen. Der Spirit des Ska hat und hatte für uns immer eine gesellschaftliche und politische Seite, auch wenn man das nicht immer herausschreit. Auf unseren Konzerten tanzt die Intelligenz neben den Werktätigen, ich denke da kommen rebellischer Geist und Lust auf groovenden Offbeat als Bindeglied zusammen.
Bei den angesprochenen Songs bin ich vielleicht mal ein bisschen deutlicher geworden, da geht’s um Themen, die mich interessieren, weil man an ihnen überhaupt nicht vorbeikommt. Das kann anderen nicht anders gehen. Da ist natürlich zum Einen Liebe und ihre Ausläufer das ultrapotente Thema, aber eben auch Freiheit und das was sie beschränkt und das ist ja neben den Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus eben auch unser eigener Verstand? Oder ist das das selbe Thema? Naja, keep smiling. Tanzmusik muss ja nicht zwingend geistlos sein.
Wofür steht eurer Meinung nach Ska heutzutage?
Als ich Leuten, die The Special Guests feat. Willie Ocean nicht kannten, erzählt habe, dass ich in einer Skaband singe, sagten auffällig viele: „Ja, Punk ist geil!“. Das fand ich ziemlich komisch. Die Grenzen sind da fließend und das ist ja auch ganz prima so, aber: Wir machen Ska! Wir machen den Ska! Ich sehe die Nähe…
>>> Beetroot: MP3 & Video
© 2007 by moanin’
|
|